Glas - ein Werkstoff mit 9000 Jahren Tradition
Glas ist ein sehr vielseitig einsetzbarer Werkstoff. Und obwohl es schon seit 9000 Jahren von Menschen verwendet wird, hat es, anders als Stein oder Bronze, keiner geschichtlichen Epoche seinen Namen gegeben. Das erste bekannte Glas war das so genannte natürliche Glas Obsidian, das durch Vulkanismus entsteht und ganz ähnliche Eigenschaften wie das heute gebräuchliche Glas hat. Für den modernen Menschen ist ein Leben ohne diesen mineralischen Werkstoff fast schon unvorstellbar.
Glas und Glaswaren sind allgegenwärtig. Ob als Trinkgefäß oder als Fensterscheibe, wir benutzen sie so selbstverständlich, dass es uns kaum noch auffällt. Die ersten Behälter aus Glas wurden im alten Ägypten um 1500 v. Chr. gefertigt. Solche kostbaren Glaswaren dienten als Behälter für ebenfalls wertvollen Inhalt. In ihnen wurden Öle und Salben aufbewahrt. Glasbläser gab es ungefähr seit 100 v. Chr. Die neue Technik, die durch die Erfindung der Glasmacherpfeife möglich wurde, prägte eine neue Kultur. Erstmals setzte man Gläser zum Trinken ein. Man konnte nun den Werkstoff beliebig formen. Zunächst war der Werkstoff farbig, bald schon gelang aber auch die Herstellung farblosen, also durchsichtigen Glases.
Im Mittelalter verbreiten sich gläserne Dinge immer mehr. Venedig wurde zum Zentrum der künstlerischen Glasproduktion. Hier fertigte man vor allem Flaschen, daher die Berufsbezeichnung „Flaschenmacher“ oder phiolarius für den Handwerker, der das Glas herstellte. Im 12. Jahrhundert gab es eine weitere bahnbrechende Erfindung: das Fensterglas. Es entstand aus dem so genannten Mondglas. Glaskugeln wurden zu flachen Tellern gedreht und ihre Mittelstücke mit Hilfe von Blei zu größeren Gebilden zusammen gesetzt. Das heute gebräuchliche Flachglas konnte man erst später für den Fensterbau benutzen. Doch auch schon das aus dem Mondglas zusammgesetzte Butzenglas brachte Licht in die Häuser, ohne dass man Läden öffnen musste.
Glas verändert das Leben der Menschen
Im Jahr 1688 ist die erste Herstellung von gewalztem Glas dokumentiert. Im französischen Saint Gobain goss man erstmals geschmolzenes Glas auf einen Walztisch, verteilte es und walzte es schließlich flach. So konnte man ein großes und an allen Stellen gleich dickes Glasstück erzielen. Scheiben von 40 x 60 Zoll konnten so hergestellt werden, die auch gut für die Erzeugung von Spiegeln geeignet waren. Einziges Problem war immer noch die Tatsache, dass diese Gläser eine relativ ungleichmäßige Oberfläche hatten.
Während all dieser Zeit war die Glasproduktion Handwerk. Glaswaren konnten nur durch die speziell dafür ausgebildeten Handwerker hergestellt werden. Das änderte sich erst im Jahr 1903, als die ersten Flaschen industriell gefertigt werden konnten. Dieses und andere Verfahren wurden mehr und mehr perfektioniert, sodass sich Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die Glasproduktion vervierzigfachte.
Heute verwendet man den Werkstoff branchenübergreifend. Es dient als Baustoff oder als Datenleitung in der Glasfaser. Solaranlagen wären ohne Glas nicht möglich und auch Halbleiter oder Displays bestehen zum Teil aus Glas. Gerade die moderne Architektur verwendet den Werkstoff Glas auf vielfältige Weise. So entstehen lichtdurchflutete Gebäude, die früher gar nicht denkbar waren. Großflächige Fassaden aus Glas waren früher aus statischen Gründen gar nicht möglich. Heute sind sie sogar mit spezieller Ausstattung besonders wärmeisolierend. Eine weitere wichtige Funktion hat Glas in den aus ihm hergestellten Glasfasern, die durch ihre hervorragenden Isolationseigenschaften heute vielfach als Dämmmaterial eingesetzt werden.
Glas – ein Wachstumsmarkt
Heute hat die Glasindustrie einen festen Platz in der deutschen Wirtschaft. Insgesamt 330 Betriebe fertigen Behälterglas, Flachglas oder Spezialglas. Außerdem gibt es Spezialbetriebe, die sich der Glasbearbeitung und -veredelung widmen. 50.000 Menschen arbeiten in der Branche und erwirtschaften etwa 8,6 Milliarden Euro jährlich. Die Branche ist sehr innovativ und entwickelt ständig neue Produkte für die permanent wachsenden Anforderungen der unterschiedlichen Märkte.
Neueste Trends in der Flachglasindustrie sind zum Beispiel besonders wärmeschützende Materialien, die zwar viel Licht durchlassen, aber Überhitzen vermeiden. Außerdem im Trend: schallschluckendes oder selbstreinigendes Glas. Spezialglas kommt vermehrt bei der Erzeugung erneuerbarer Energien zum Einsatz. Inzwischen gibt es Solarthermische Kraftwerke, die Sonnenlicht mit riesigen gewölbten Spiegeln einfangen und es so direkt in Wärme umwandeln, aus der wiederum Strom erzeugt wird. Außerdem haben sich Sonnenkollektoren bewährt, die ohne eine Deckschicht aus Spezialglas nicht möglich wären.
Die Glasindustrie ist heute ein bedeutender und zukunftsorientierter Wirtschaftszweig, der noch einiges Wachstumspotenzial in sich birgt. Glas und Glaswaren werden auch zukünftig aus unserem Leben nicht wegzudenken sein.