Gesundheitswesen – ein schwieriger Sektor
Über Jahrzehnte hinweg galt das deutsche Gesundheitswesen als eines der modernsten der Welt. Die Finanzierung war gesichert, die Versorgung der Kranken sicher gestellt. Außer dem monatlichen Beitrag zur Krankenversicherung hatte der Bürger nicht viel zu zahlen, da alle relevanten Leistungen zuzahlungsfrei durch die Kasse übernommen wurden. Doch seit einigen Jahren explodieren die Kosten. Gleichzeitig steigen bedingt durch unterschiedliche Faktoren die Kasseneinnahmen nicht in gleichem Maße. Das bringt das überkommene Gesundheitssystem ins Wanken.
Das Gesundheitswesen besteht aus vielen einzelnen so genannten Leistungserbringern. Das sind in erster Linie Ärzte, Apotheker und das Pflegepersonal. Aber auch andere Dienstleister wie freie Hebammen oder Psychotherapeuten gehören genauso dazu wie Logopäden oder Krankengymnasten. Finanziert wird das System zum größten Teil durch die gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Aber auch andere Versicherungen wie Unfall-, Pflege oder Rentenversicherung tragen zur Finanzierung im Gesundheitswesen bei.
Die meisten Träger im Gesundheitswesen sind privat. Es gibt zwar noch kommunale oder andere öffentlich finanzierte Krankenhäuser wie zum Beispiel Hochschulkliniken, aber auch in diesem Sektor wird zunehmend privatisiert. Darüber hinaus agieren die Aktiven dieser Branche auf privatwirtschaftlicher Basis. Arztpraxen und Apotheken sind genauso in privater Hand wie die pharmazeutische Industrie oder die Hersteller medizinischer Apparate.
Das Gesundheitswesen finanziert sich durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer
Die Beiträge zu den Versicherungen kommen zum größten Teil von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die in die Versicherung einzahlen. Der größte Teil der deutschen Bürger, nämlich fast 90 Prozent, ist gesetzlich krankenversichert. Die Höhe ihrer Versicherungsbeiträge bemisst sich an ihrem Einkommen, wobei der Anspruch auf Versicherungsleistungen unabhängig von der Höhe des Beitrags ist. Oft gibt es in einer Familie nur einen einzigen Beitragszahler, denn Familienmitglieder können unter Umständen beitragsfrei mit versichert werden. Das macht die Finanzierung des Gesundheitswesens nicht unbedingt leichter.
Ungefähr neun Prozent der deutschen Bürger sind privat krankenversichert. Ihre Versicherungsprämien werden individuell kalkuliert und sind abhängig vom Leistungsumfang und dem Gesundheitszustand beim Eintritt in die Versicherung. Privatversicherte genießen oft eine bessere Behandlung weil diese von den Ärzten und Krankenhäusern zu einem höheren Satz abgerechnet werden können. Dies führt nicht selten zu heftiger Kritik am so genannten Gesundheitswesen der zwei Klassen. Ein kleiner Prozentsatz der Versicherungspflichtigen ist anderweitig versichert. Hierzu zählen unter anderem Zivildienstleistende, Bundeswehrangehörige oder Sozialhilfeempfänger. Ganz wenige deutsche Bürger haben keine Krankenversicherung, nämlich etwa 0,1 bis 0,3 Prozent.
Kostenexplosion im Gesundheitswesen
Inzwischen gehören die stetig steigenden Kosten im Gesundheitswesen zu den größeren politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland. Denn diese zusätzlichen Gelder müssen zum größten Teil die Versicherten selbst aufbringen. So tragen Selbstbeteiligungen und Zuzahlungen zum Beispiel zu Medikamenten zum Unmut der Versicherten bei, denn sie fühlen sich zunehmend unter Kostendruck. Gleichzeitig sparen sie sich oft den Arztbesuch oder nehmen die Leistungen, die sie selbst bezahlen müssten, gar nicht erst in Anspruch. Dadurch bedingt gibt es auch in Arztpraxen und Apotheken zunehmend Bestrebungen, bestimmte Leistungen zusätzlich gewissermaßen aktiv zu verkaufen. So wächst ein millionenschwerer Markt heran, der sich unter anderem mit Wellness, Anti-Aging und alternativen Heilmethoden beschäftigt.
In Deutschland werden rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Gesundheitswesen ausgegeben. Damit liegt das Land im Vergleich der Organisation für Wirtschaft und Zusammenarbeit weltweit an vierter Stelle. Für die Behandlungen im Gesundheitssystem gab man in Deutschland im Jahr 2006 etwas 2.600 Euro pro Person aus. Auf die Frauen entfielen dabei 3.160, auf die Männer 2.240 Euro. Naturgemäß verursachen ältere Menschen höhere Kosten als jüngere. Für Bürger über 65 Jahren mussten im selben Zeitraum 47 Prozent der Krankheitskosten aufgewendet werden, das waren 6.910 Euro. Jüngere Menschen dagegen kosteten das Gesundheitswesen nur 1.880 Euro.
An diesen Zahlen lässt sich ablesen, was die größte Herausforderung des deutschen Gesundheitssystems sein wird: die Vergreisung der Bevölkerung. Denn Menschen im Rentenalter werden in der Zukunft in der Mehrheit sein. Zu wenige Kinder werden geboren, gleichzeitig werden durch verbesserte Leistungen im Gesundheitswesen die Menschen immer älter. Eine gefährliche Mischung.
In den letzten Jahren wurden verschiedene Reformen im Gesundheitssystem gestartet. Ob sie den gewünschten Erfolg bringen, ist nach Meinung von Experten völlig offen. So oder so wird das deutsche Gesundheitswesen noch für einigen Zündstoff sorgen, denn es ist nicht damit zu rechnen, dass die Kosten in absehbarer Zeit zurückgehen werden.